Ich möchte Euch von meinem Freund Hassan erzählen. Hassan war einer der intelligentesten Menschen, dem ich je begegnet bin (wenn man das in jungen Jahren überhaupt schon so feststellen kann). Wir gingen in dieselbe Koranschule. Hassan war immer der Erste, der mit Auswendiglernen fertig war, obwohl er die ganze Zeit von der Frau des Marabus hin und her geschickt wurde um ihr einen Teller zu geben oder die Ziegen zu melken. Als wir sechs Jahre alt waren, gingen wir in dieselbe Grundschule. Hassan war immer der Erste der Klasse, er konnte in der zweiten Klasse 17 mal 17 auswendig im Kopf rechnen. Ich war so begeistert von meinem Freund Hassan und seiner Intelligenz, dass ich zu seinem zweiten Schatten wurde. Wegen dieser Freundschaft wurde ich in der Schule gehänselt, denn es war nicht schicklich sich mit einem Hartani anzufreunden, aber mir war das egal. Hassan konnte sowieso mit jedem fertig werden, da er durch die ganze Arbeit die er mit seinen 8 Jahren schon verrichtete, für sein Alter sehr viele Muskeln hatte.
Als wir in die dritte Klasse gingen, war Hassan immer weniger in der Schule. Wenn ich fragte warum, antwortete er, dass er einen Eselkarre fahre um seinem Vater zu helfen seine neun Geschwister zu ernähren. Irgendwann kam er gar nicht mehr zur Schule. Ich begegnete ihm eines Tages auf seinem Esel, zusammen mit seinem ständigen Begleiter und vielleicht auch seinem einzigen Freund, Rocky (der Hund wurde später vom Militär erschossen während einer ihrer Töttungskampagnien, wie mir Hassan Jahrzehnte später, mit Tränen im Augen, berichtete). Ich beneidete ihn dafür, dass er nicht zur Schule gehen musste. Ich habe die Schule nie richtig gemocht, bis heute nicht, deshalb zögerte ich auch nicht lange, als er mir anbot auf seinen Karren mitaufzusteigen um eine Runde zu drehen. Ich steckte mein Heft unter mein T-Shirt in meine Hose und stieg auf. Es war einer der schönsten Tage meines Kinderlebens, der Tag als ich meinen Freund bei der Arbeit begleitete. Wir haben viel gelacht, wir haben dicke Frauen zum Markt gefahren und den Müll der Leute entsorgt. Hassan kannte sich sehr gut aus in der Stadt, im Gegensatz zu mir der nur die Strecke von meinem Zuhause zur Schule ging. Ich bekam immer größere Augen, er erzählte mir Sachen die meine Fantasie über Jahre beschäftigten, er berichtete über Nasranis die Spiele wegwerfen, wertvolle Sachen und sogar Geld. Er schwor mir, dass hinter der französischen Botschaft eine Mülldeponie gäbe, wo alles zu finden wäre und versprach mir mich eines Tages dorthin zu begleiten. Er schwärmte von dem marokkanischen Markt, wo sie Obst einfach wegwerfen und wo man sich an Mangos satt essen könne. Jahre später entdeckte ich dass die Franzosen kein Geld wegwerfen und dass, das Obst nur vergammeltes Obst war, aber wie gesagt meine Fantasie haben seine Worte angeregt. Als dieser schöne traumhafte Tag (wie er nur von Kindern empfunden werden kann) sich zu Ende neigte, fuhr mich Hassan nach Hause, wo auf mich Prügel warteten und mir jeder Umgang mit Hassan untersagt wurde. Hassan erlitt dasselbe Schicksal, wenn auch die Prügel seines Vater mit großzügiger und grausamer waren, als die von meinem (mein Vater hatte sich bei Hassans Vater Beschwert, dass sein Junge mich von der Schule fernhielt, was ja nicht stimmte).
Von dem Tag an haben wir uns aus den Augen verloren, da meine Familie von dem Viertel wegzog. Letzten Monat habe ich Hassan wieder getroffen. Am Anfang habe ich ihn gar nicht erkannt, er aber mich. Ich brauchte jemanden der meine Sachen trug, die ich bei einem Händler gekauft hatte, der Besitzer rief seinen Namen - was meine Aufmerksamkeit nicht erregte, da es ein sehr geläufiger Name ist. Er ist gealtert, die Jahre haben ihre Spuren hinterlassen, er sieht mindestens 20 Jahre älter aus als ich. Mich hat er sofort erkannt, ich hätte gar nicht verändert meinte er. Mein Freund Hassan hat einen gebeugten Rücken vom vielen Tragen gebeugt, seine Hände sind voller Schwielen und haben eine Hornhaut, wie sie bei anderen Menschen an den Füßen vorkommt, sein Körper ist Zerfallen durch die Harte Arbeit. Aber sein Lächeln war dasselbe nur ein wenig trauriger. Er hat sein Schicksal akzeptiert. Als ich ihm beim Tragen helfen wollte, hat er nur gelacht und gemeint du bist nicht zum Tragen geboren. Ich habe mich sehr gefreut meinen Freund nach so langer Zeit zu sehen, wir standen neben meinem Auto und plauderten, wir erinnerten uns gemeinsam daran, wie er mir bei den Hausaugaben geholfen hat oder wie er mir einmal bei einer Prüfung einen Zettel mit den Lösungen zugesteckt hat. Beim Abschied wollte ich ihn paar Geldscheine in die Hand drücken, ich wollte mein Gewissen freikaufen. Doch trotz seiner Armut wollte er mein Geld nicht, er sagte der Service ist schon vom Geschäft bezahlt worden und er würde sowieso nichts von mir nehmen um einen kleinen Sack zu tragen.
Ich saß in meinem Auto und habe mich zu Tode geschämt. Ich schäme mich dafür einer Gesellschafft anzugehören, die nicht allen ihren Kindern die gleichen Chancen im Leben gibt. Ich schäme mich, weil ich wusste, wenn der Hassan, mein kluger Hassan, die gleichen Chancen, wie ich sie hatte, gekriegt hätte, dann wäre er ein großer Wissenschaftler, ein berühmter Mathematiker und auf keinen Fall ein Träger im Markt geworden. Wir kamen beide aus einfachen Verhältnissen, im selben Krankenhaus sind wir geboren (im Sebkha), besitzen die gleiche Nationalität, aber dennoch waren wir nie gleich. Sein Satz sagte alles: Du bist nicht geboren zum Tragen. Er schon. Ich saß fast eine Stunde hinter dem Lenkrad ohne zu fahren, ich war voller Traurigkeit und Bitterkeit.
Wir sollten uns alle Schämen, denn unsere Gesellschafft verliert jährlich so viele intelligente Menschen weil sie diesen Kindern keine vernünftige Bildung geben kann. Wir sollten uns schämen, weil wir in einer Gesellschafft leben die im 21. Jahrhundert immer noch in einem veralteten Kastensystem verharrt. Wir sollten uns schämen jedes mal wenn wir einen kleinen Hassan auf seinem Eselkarren sehen oder einen Hassan der im Müll wühlt erblicken oder von einen Hassan der bei uns im Haushalt arbeitet bedient werden. Wir sollten uns schämen, dafür dass wir nicht versuchen es zu ändern. Ich schäme mich für uns, ich schäme mich dafür unserer Gesellschafft anzugehören.
Es ist an der Zeit unsere Geschichte zu verändern ,die Ex-Sklaven , die Griots ,die Schmiede und alle die Kasten die Jahrhunderte unterdrückt wurden zu entschädigen , ihr könnt es nennen wir ihr wollt positive Diskriminierung ,Kastenentschädigung, irgendwas, dass die Jahrhunderte Benachteiligung , die diese Gruppen erfahren haben zu mildern
Bis dahin Hassan und alle die anderen Hassans bitte verzeiht mir.
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